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„Kommunen können sich viel mehr trauen, als man denkt“

| Presse 

Fußverkehr spielt eine wichtige Rolle im städtischen Leben und Friedrichshafen hat noch viel Luft nach oben. So lässt sich die Veranstaltung „Zu Fuß in der Stadt“ mit Verkehrsplaner Andreas Schmitz in einem Satz zusammenfassen. Dazu eingeladen hatte die Gemeinderatsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

In Friedrichshafen werden – laut Untersuchungen für den Verkehrsentwicklungsplan – 13 Prozent aller Wege zu Fuß zurückgelegt. „Das ist der niedrigste Wert, den ich bundesweit kenne“, sagte der Kasseler Verkehrsplaner im vollbesetzten Graf-Soden-Zimmer im Graf-Zeppelin-Haus. Diese Zahl ließe sich durch eine gute Fußverkehrsplanung erhöhen. „Als Kommune hat man Möglichkeiten, lenkend einzugreifen“, so die Botschaft ans Publikum, in dem auch Erster Bürgermeister Dr. Stefan Köhler und weitere Vertreter der Stadt saßen.

Eine Möglichkeit: Die Störung durch andere Verkehrsteilnehmer, wie Fahrradfahrer, zu minimieren. „Friedrichstraße“, raunte es hier und da durchs Publikum. „Man muss dem Autoverkehr Flächen wegnehmen, denn es geht auch um die Rückgewinnung des öffentlichen Raumes“, hatte Schmitz als Lösung für die begrenzt zur Verfügung stehenden Flächen parat. Als Beispiele brachte er den Rudolphsplatz in Kassel, der vom Verkehrsknotenpunkt zu einem lebhaften Treffpunkt für Jung und Alt umgestaltet geworden ist. Im nordrhein-westfälischen Siegen, wo das Flüsschen Sieg mit einem Parkplatz gedeckelt war, ist mittlerweile ein beliebter Zugang zum Wasser mit Sitzstufen entstanden.

Wenig Hoffnung machte der Referent den Besuchern, das Gehwegparken abzuschaffen, das nur erlaubt ist, wenn genügend Platz bleibt, dass sich Rollstuhlfahrer begegnen können. „Das abzuschaffen, traut sich keiner“, so Schmitz, der maßgeblich an der Erarbeitung der „Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen - EFA 2002” der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) beteiligt war.

Dabei sollte ein Gehweg laut Schmitz ein Mindestbreite von 2,50 Metern haben, damit Zufußgehen Spaß macht – sprich man zu zweit nebeneinander laufen kann oder Begegnungsverkehr möglich ist, ohne dass es zu Behinderungen kommt. Die Beleuchtung der Gehwege sei ebenfalls nicht zu vernachlässigen und auf Plätzen dürfe nicht an ansprechender Möblierung gespart werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt: „80 Prozent der Fußgängerunfälle passieren bei dem Versuch, die Straße zu überqueren“, sagte Andreas Schmitz im Hinblick auf die Sicherheit für Fußgänger. Als Abhilfe empfahl er möglichst viele Querungshilfen, die ein sicheres Überqueren ohne große Umwege oder langen Wartezeiten an Ampeln ermöglichen.

„Um den Fußverkehr zu fördern, können sich Kommunen viel mehr trauen, als man denkt“, lautet das Fazit des Verkehrsplaners aus seiner langjährigen Erfahrung heraus.

An den Vortrag schloss sich eine sachliche Diskussion an, in der Erster Bürgermeister Köhler an die Bevölkerung appellierte, bei Grundstückverhandlungen für Verkehrsflächen für den Fuß- und Radverkehr an den Nutzen für die Allgemeinheit zu denken. Stadtrat Gerhard Leiprecht (Grüne) wünschte sich mehr finanzielle Mittel von der Stadt, „die in den nächsten 5 bis 6 Jahren 100 Millionen Euro für den Autoverkehr ausgibt und den Fuß- und Radverkehr dagegen stiefmütterlich behandelt“.

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Verkehrsplaner Andreas Schmitz hat viele interessierte Zuhörer ins GZH gezogen.