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Regionalversammlung missachtet Gemeinderatsvotum

| Presse 

Die Überarbeitung des Regionalplans geht in die heiße Phase. Nachdem ich der Gemeinderat mehrheitlich gegen die Ausweisung eines Gewerbegebiets in Hirschlatt ausgesprochen hat, hat die Mehrheit der Regionalversammlung das Votum am 23. Oktober 2020 ignoriert. Lest hier unsere Antworten auf Fragen der Schwäbischen Zeitung.

Wie bewerten Sie das Votum der Regionalversammlung? Ist das ein Affront gegen Friedrichshafen?

Im Februar 2020 hat sich der Gemeinderat eindeutig gegen die Ausweisung eines Gewerbegebietes in Hirschlatt ausgesprochen. Dass jetzt die Regionalversammlung dieses Votum ignoriert hat, ist tatsächlich ein Affront. Schließlich ist Friedrichshafen die größte Stadt im Regionalverband, der Gemeinderat vertritt fast ein Zehntel aller Einwohner*innen.

Die Aussagen von Herrn Franke und Herrn Dr.-Ing. Köhler, der Gemeinderat sei nicht genügend informiert gewesen, können wir absolut nicht nachvollziehen, da uns die Unterlagen zu Hirschlatt Wochen vor der finalen Abstimmung bekannt waren, es mehrere Beratungen gab und es zu einer demokratischen Entscheidung kam. Dass die Mehrheit der Regionalversammlung diese demokratische Entscheidung ignoriert hat, verwundert uns sehr.

 

Der Rat wird erneut über das Thema abstimmen. Wie wird sich Ihre Fraktion voraussichtlich verhalten?

In den vergangenen acht Monaten hat das Corona-Virus viel in der Welt geändert: Unsere Meinung zum Thema Hirschlatt aber nicht. Deshalb wird auch bei einer erneuten Abstimmung unser Verhalten dasselbe sein: Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt gegen die Ausweisung von 30 ha Gewerbegebiet in Hirschlatt. Alles andere würde sowohl unseren Ansichten einer sozial-ökologischen Transformation zuwiderlaufen, als auch geltende Vereinbarungen (z.B. Pariser Klimaschutzabkommen) zunichtemachen. Klimaschutz fängt vor der eigenen Haustür an! Grüner Leitspruch: Global denken, lokal handeln. Im Lokalen fangen Veränderungen und ein Umdenken an.

 

Halten Sie es für möglich, dass sich bei einer erneuten Abstimmung die Mehrheitsverhältnisse in der Frage verschieben

Warum sollten sich die Mehrheitsverhältnisse plötzlich ändern? Wir gehen nicht davon aus. Nur weil die Regionalversammlung dem Gemeinderat erneut ihre Entscheidung quasi aufdrücken möchte, wird sich wohl kaum etwas an den Gründen geändert haben, warum die Mehrheit der Gemeinderät*innen gegen Hirschlatt gestimmt hat.

 

 

Hinter all dem steckt ja die Frage: Sollte FN (bzw. die Wirtschaft in FN) weiter wachsen? Wie beantworten Sie diese Frage? Und falls Ja: Wo sehen Sie Flächen für ein solches Wachstum?

Durch die Ablehnung des im Regionalplan vorgesehenen Gewerbegebietes wird unseren ortsansässigen Firmen und Gewerbetreibenden ihre Möglichkeit sich zu erweitern, nicht gänzlich verwehrt. Vielmehr sehen wir das Potenzial in der Nachverdichtung (auch in der Höhe) und in der Optimierung des ruhenden Verkehrs. Auch eine Arrondierung der bestehenden Gewerbeflächen können wir uns mancherorts vorstellen. Zudem gibt es andere mögliche stadtnahe Entwicklungsflächen. Wie schon beim verdichteten Wohnbau bedarf es auch für Gewerbetreibende zukünftig anderer Anstrengungen und Lösungen, um einen Betrieb zu erweitern oder neu anzusiedeln.

Nach dem Klimaschutzplan der Bundesregierung soll spätestens bis zum Jahr 2050 der Flächenverbrauch in Deutschland auf null reduziert werden. Das bedeutet: Gewerbeerweiterung ja, aber nur auf vorhandenen Flächen. Um die sogenannte „Netto null“ zu erreichen, muss der Übergang zur Flächenkreislaufwirtschaft geschafft werden. Die Grünen sähen die Stadt gerne in einer Vorreiterrolle und haben im Juli einen Antrag gestellt, die Stadt möge die Flächenkreislaufwirtschaft bis 2030 einführen.

Bei der Flächenkreislaufwirtschaft geht es darum, weitere Flächenversiegelung in Friedrichshafen zu vermeiden, indem leerstehende Gebäude, ebenerdige Parkplätze oder brachliegende Gewerbe- und Industrieflächen höherwertigen Nutzungen zugeführt werden. Durch die Ausweisung weiterer großflächigen Gewerbegebiete werden wir keinen Beitrag zum flächenschonenden Umgang und zur angestrebten Netto-Null leisten können.

 

In unserer Verfassung gibt es einen eindeutigen Konsens, dass das Ziel des Wirtschaftens die Förderung des Gemeinwohls ist. 88% der Deutschen wünschen sich laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung eine „neue Wirtschaftsordnung.“ Die Wirtschaft muss menschlicher, sozialer, verteilungsgerechter, nachhaltiger und demokratischer werden. Der Grüne Ortsverband hatte in seinen „9 Grünen Punkten zur Kommunalwahl 2019“ unter anderem die Gemeinwohlökonomie gefordert. Die Gemeinwohlökonomie bezeichnet ein Wirtschaftssystem, das nicht vordergründig auf Wachstum, sondern auf gemeinwohl-fördernden Werten aufgebaut ist. Unsere Handlungsmaxime stellt hierbei das Pariser Klimaschutzabkommen dar. 

Zur nächsten Gemeinderatssitzung wird final über eine weitere Unterstützung des Flughafens in zweistelliger Millionenhöhe abgestimmt werden. Wir Grüne haben und werden uns klar dagegen aussprechen. Unsere realistische Zukunftsvision für den Flughafen sieht die Ansiedlung von Gewerbe in einem Teilbereich des Flughafens außerhalb der Kaltluftschneise vor.

Mag sein, dass andere gerade auf dem besten Weg sind, die Zeichen der Zeit zu verschlafen. Wir Grüne geben Antworten auf die Fragen der Zukunft, gestalten sie aktiv mit neuen Ideen.

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